Kabarett mit Uwe Spinder am 08.04.11



Aus "DIE RHEINPFALZ" vom 11.04.2011

"Die größten Schweine werden die besten Schnitzel"

Kabarettist Uwe Spinder gastiert mit ungeschminkten Wahrheiten in der Siegelbacher Feiermaus


von REINER HENN


Zunächst lange Gesichter im Hinblick auf den schwachen Besuch des Kabaretts am Freitagabend. Danach allerdings fröhliche Mienen, denn der Stuttgarter Kabarettist Uwe Spinder hatte in der Siegelbacher Gaststätte Feiermaus sein Publikum im Sturm erobert und mit einer gestrafften, fast zweistündigen Politsatire begeistert.


Das besondere Ambiente des renovierten Festsaals war ideal für eine familiäre Atmosphäre, in der sich der sympathische Schwabe richtig wohl fühlte und mit satirischen Seitenhieben gegen politische Akteure nicht geizte. Als Stuttgarter begann er natürlich mit dem umstrittenen Projekt "Stuttgart 21", dem "Traumbahnhof", der nach Spinder zum Albtraum wurde. Klugscheißer hätten hier Durchfall gehabt: Der Sinn des Projekts bestehe darin, so Spinders Überlegung, dass im Hochgeschwindigkeitsbereich größere Entfernungen schneller überbrückt werden könnten. So wäre man, rechnete Spinder vor, bereits in 26 Minuten in Ulm. Allerdings, so mutmaßte der kritische Zeitgenosse mit einem Anflug von Häme, wolle ohnehin niemand von Stuttgart nach Ulm. Was sollte er auch dort? Gefragt seien Nahverkehrsverbesserungen, lautete sein Fazit für diesen ersten Themenblock, mit dem er bereits punktete.


Der Stuttgarter testete für seinen kabarettistischen Ausflug nach Siegelbach ohnehin den Service der Bahn: 140 Schalter sprächen, so Spinder, für das Stuttgarter Dienstleistungsangebot, auch wenn bei seiner Abfahrt mit der Bahn nur zwei geöffnet waren. Danach kriegte der Kabarettist und Komödiant die Kurve zur Landtagswahl in den beiden benachbarten Bundesländern, bemerkte, dass in Rheinland-Pfalz der "Buddha aus Bad Bergzabern" noch etwas auf seinem Amtssitz ausruhen dürfe. Für sein "Ländle" stellte er lapidar fest, dass ein Mappus immer noch besser als ein Brutus sei.


Spinder war kein Alleinunterhalter, er spulte keinesfalls nur ein Programm ab. Er bezog vielmehr sein Publikum geschickt ein, reagierte spontan und lobte auch mal einen Zwischenrufer: "Das nehme ich, mit Verlaub, in mein Programm auf!" Damit hatte der eloquente und vielseitig belesene Rhetor mit der Neigung zu emphatischem Pathos gewonnen. Spinder nahm die landes- und bundespolitischen Affären, Fehlentwicklungen und Missstände schonungslos unter seine Lupe, die zum Brennglas wurde. Er präsentierte aber auch Leuchttürme in dieser tristen Landschaft, etwa, wenn er wohlwollend vom Aufwärtstrend der Grünen berichtete. Der früher als Redakteur und Berufsberater fungierende, freiberufliche Kabarettist nahm kein Blatt vor den Mund: In einer gesunden Mischung aus erkennbarer Ausarbeitung und Spontaneität ist er seit 2008 dem Zeitgeist kritisch auf der Spur. In 150 Auftritten jährlich lehnt er sich weit aus dem sprichwörtlichen Fenster, hält aber geschickt die Balance.


"Armes Deutschland", lautete sein Programm und Fazit. Die Frage "Was ist aus dem Land der Dichter und Denker geworden", ist eine rhetorische, und er gibt sie zum Nachdenken an sein aufgeschlossenes Publikum weiter. Gesellschaftliche Phänomene wie die Vernetzung der Jugendlichen per Handy oder Laptop bezeichnete er als die moderne Form einer Art Stasi. Man gäbe freiwillig alle Daten und Neigungen preis.


Schließlich kam er im zweiten Teil beim Gesundheitssystem an und stellte fest, dass hier nicht nur Gynäkologen Abstriche machen müssten. Wen das Gesundheitssystem im Stich lasse und wer durchs soziale Netz falle, der brauche schließlich und endlich finanzierbare Bestattungsmodelle. Seine gewagten Lösungen entspringen aber nicht der Phantasie, sondern tragen in schonungsloser Auflistung bestehende Varianten zusammen. Doch Spinder bleibt sich selbst treu, wenn er am Ende keine Ratlosigkeit und Resignation zurück lassen möchte. Sein beruhigendes Fazit für die Verursacher aller politischen und gesellschaftlichen Probleme lautet: "Die größten Schweine von heute sind die besten Schnitzel von morgen..." Das war heftig und deftig. Solche mutigen Männer hat das "Ländle"!